Sozialbetrug – Anzeige und Strafmaß von erschlichenen Sozialleistungen

Rechtsanwalt

Begeht jemand Sozialbetrug, bezieht er unerlaubterweise staatliche Sozialleistungen. Dies ist eine Straftat und wird mit Geld- und Freiheitsstrafen geahndet. Lesen Sie in diesem Beitrag mehr darüber, wie Sie Sozialbetrug anzeigen oder wie Sie sich im Fall einer erhaltenen Anzeige verhalten können.

Sozialbetrug ist eine Straftat nach § 263 StGB, bei der Sozialleistungen vom Staat erschlichen werden.
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Begeht jemand Sozialbetrug, bezieht er unerlaubterweise staatliche Sozialleistungen. Dies ist eine Straftat und wird mit Geld- und Freiheitsstrafen geahndet. Lesen Sie in diesem Beitrag mehr darüber, wie Sie Sozialbetrug anzeigen und sich im Fall einer erhaltenen Anzeige verhalten können. 

Was versteht man unter Sozialbetrug?


‌Von Sozialbetrug bzw. Sozialleistungsbetrug spricht man, wenn jemand staatliche Sozialleistungen bezieht, ohne die dafür notwendigen Voraussetzungen zu erfüllen und vorzulegen. Das kann Sozialbezüge wie beispielsweise das Arbeitslosengelt II (umgangssprachlich Hartz-4 genannt) oder BAföG (Förderung für Schüler und Studenten nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz) betreffen. 
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‌Einen eigenen Straftatbestand für Sozialbetrug findet sich im deutschen Strafrecht nicht, daher wird er als Betrug im Sinne von § 263 Abs. 1 des Strafgesetzbuches behandelt:  Wer in der Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, das Vermögen eines anderen dadurch beschädigt, dass er durch Vorspiegelung falscher oder durch Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen einen Irrtum erregt oder unterhält, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. 
‌ ‌§ 263 Abs. 1 StGB Laut § 263 StGB liegt eine solche Straftat also vor, wenn jemand seine Vermögensverhältnisse verbessert, indem er falsche Tatsachen vorgibt oder wahre Tatsachen verschweigt. Durch diese Tat muss außerdem jemand zu Schaden kommen. 
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‌Immer öfter wird wegen Sozialbetrugs strafrechtlich ermittelt, da diese Art von Betrug mittlerweile strenger verfolgt wird als früher. Sozialbehörden, wie das Jobcenter und BAföG (Bundesausbildungsförderungsgesetz) -ämter, haben ein Recht zum Datenabgleich . Dieses können sie nutzen, um mit anderen Behörden Daten zu vergleichen. So kann aufgedeckt werden, ob jemand zu Unrecht Sozialleistungen bezieht. Wegen einem vermehrten organisierten Sozialbetrug durch Banden in Deutschland und hohen Zahlen bei den Betrugsfällen wegen Sozialleistungen führen die Ämter mittlerweile regelmäßige Datenabgleiche mit dem Finanzamt durch. 
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‌Wurden 2016 noch rund 150.000 Straf- und Bußgeldverfahren wegen Sozialleistungsbetrugs geführt, waren es 2019 laut Statista bereits knapp über 200.000 Fälle, in denen Leistungen erschlichen wurden. Liegt ein eindeutiger Verdacht vor, dürfen die Behörden Bankkonten überprüfen und Informationen von den Banken einholen. Werden derartige Betrüger aufgedeckt, leitet die Bundesagentur für Arbeit (BA) ein Straf- und Bußgeldverfahren ein. 
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‌Bei Sozialbetrug unterscheidet man grundsätzlich zwei verschiedene rechtswidrige Handlungen, die folglich als Betrug eingestuft werden. 

Sozialbetrug durch falsche Angaben


‌Einerseits wird es als Sozialbetrug gewertet, wenn jemand in einem Antrag auf Sozialleistungen falsche Angaben macht. Beispielsweise sucht jemand beim Jobcenter um Hartz-4 an, erfüllt aber nicht alle Voraussetzungen dafür. Denn die Voraussetzungen für das Arbeitslosengeld 2 (umgangssprachlich Hartz 4) sind folgende: 

  • Hilfebedürftigkeit
  • Erwerbsfähigkeit
  • Mindestalter 15 Jahre
  • Renteneintrittsalter noch nicht erreicht
  • Gewöhnlicher Aufenthalt in Deutschland


‌Vor allem beim Aspekt der Hilfebedürftigkeit wird am häufigsten gelogen. Denn wird beispielsweise ein Zuverdienst (z.B. mit Schwarzarbeit) oder ein Vermögen nicht angegeben, besteht in Wahrheit keine Hilfebedürftigkeit, bei welcher die Person nicht selbst für ihren Lebensunterhalt sorgen kann. 
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‌Möglich ist auch, dass jemand bei einem Antrag auf Unterstützung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) die Einkommensverhältnisse der Eltern nicht wahrheitsgemäß angibt. Durch das Angeben eines geringeren Betrages erhofft er, seine Chancen auf Erhalt von BAföG zu erhöhen – doch das ist Betrug.  Achtung: Lassen Sie sich nicht zu „kleinen Lügen“ verleiten. Denn macht jemand falsche Angaben und die Behörde deckt dies vor dem Erhalt der Sozialleistung auf, steht man dennoch bereits unter Betrugsverdacht. Denn § 263 StGB gibt vor: „Der Versuch ist strafbar.“ Auch dann muss man also bereits mit weitreichenden Konsequenzen rechnen.

Verletzung der Meldepflicht


‌Sozialbetrug wird auch dann begangen, wenn geänderte Einkommenssituationen nicht gemeldet werden. In diesem Fall ist die Sozialleistung bereits genehmigt oder wird schon bezogen. Das liegt beispielsweise dann vor, wenn jemand Hartz-4 bezieht und überraschend ein erhebliches Erbe bekommt. Dies muss er umgehend der Behörde melden, da dadurch keine Hilfebedürftigkeit mehr vorliegt. Verschweigt er dies, begeht er Sozialbetrug. 
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‌Ein weiteres Beispiel ist ein Bezieher von Arbeitslosigkeit, der eine neue Anstellung findet, diese aber nicht sofort dem Jobcenter meldet. Wichtig ist dabei, dass die Behörden nicht erst zu einem Nachweis auffordern müssen, sondern dass die jeweilige Person etwaige Änderungen selbstständig meldet. 

Sozialbetrug Miete, Sozialbetrug Wohnung


‌Bezieht jemand staatliche Zuschüsse für die Miete einer Wohnung, muss er ebenfalls jegliche Änderungen melden. Bezieht beispielsweise eine weitere Person die Wohnung, die über ein regelmäßiges Einkommen verfügt, muss das Amt darüber informiert werden. Wird diese Information vorbehalten, begeht man ebenso Sozialbetrug. Denn der neue Mitbewohner würde dann auf Kosten des Staates in der Mietwohnung leben, obwohl er dafür bezahlen müsste. 
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‌Die Regelung dazu findet sich in § 60 Abs. 1 Sozialgesetzbuch (SGB) I . Darin werden die Pflichten für jene Personen aufgeführt, welche Sozialleistungen beantragen oder erhalten.  Wer Sozialleistungen beantragt oder erhält, hat 
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‌1. alle Tatsachen anzugeben, die für die Leistung erheblich sind, und auf Verlangen des zuständigen Leistungsträgers der Erteilung der erforderlichen Auskünfte durch Dritte zuzustimmen, 
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‌2. Änderungen in den Verhältnissen, die für die Leistung erheblich sind oder über die im Zusammenhang mit der Leistung Erklärungen abgegeben worden sind, unverzüglich mitzuteilen, 
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‌3. Beweismittel zu bezeichnen und auf Verlangen des zuständigen Leistungsträgers Beweisurkunden vorzulegen oder ihrer Vorlage zuzustimmen. 
‌ ‌§ 60 Abs. 1 Sozialgesetzbuch (SGB) I 

Gewerbsmäßiger Sozialbetrug


‌Wurde ein schwerwiegender Sozialbetrug begangen, kann die Annahme entstehen, dass der Qualifikationstatbestand der gewerblichen Begehung nach § 263 Abs. 3 StGB erfüllt ist. Hier beträgt die Strafe eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. 
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‌Ein gewerbsmäßiger Sozialbetrug liegt dann vor, wenn jemand sein Vermögen durch regelmäßigen Betrug bereichert. Das kann bereits dann gegeben sein, wenn jemand zu Unrecht über einen längeren Zeitraum BAföG bezieht, denn dies wird regelmäßig ausbezahlt. Für einen schweren Fall nach § 263 StGB müsste der Betrug allerdings die Ursache für große Vermögensverluste oder eine wirtschaftliche Not der jeweiligen Behörde sein. Davon ist bei Sozialbetrug eher selten auszugehen. 
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‌Es gibt allerdings organisierten Sozialbetrug in Deutschland, wie er 2020 in Mitteldeutschland aufgedeckt wurde. Hier haben gleich mehrere Großfamilien im großen Stil Hartz-4-Leistungen bezogen, während sie selbstständig waren und eigene Unternehmen besaßen. Dieser organisierte Leistungsmissbrauch wurde über verschiedene Branchen hinweg aufgedeckt und die Gelder wurden großteils ins Ausland verschoben. 
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Ordnungswidrigkeit oder Straftat?


‌Man kann sich nun fragen, ob es Betrug ist, wenn man eine neue Einkommensquelle zu melden vergessen hat – ob man sozusagen unabsichtlich Betrug begehen kann. Dies ist nicht möglich, da eine der Voraussetzungen für Betrug nach § 263 StGB der Vorsatz ist. Ist also keine Absicht zu erkennen, dass die Person das Einkommen absichtlich nicht der Behörde mitgeteilt hat, so ist es kein Sozialbetrug. 
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‌Dass der Tatbestand für Betrug nach § 263 StGB nicht erfüllt sind, heißt allerdings nicht, dass die Tat keine Folgen haben wird. Denn trotz der fehlenden Absicht liegt eine Ordnungswidrigkeit nach § 63 Abs. 1 StGB II vor. Darauf gibt es eine Strafe über ein Bußgeld von bis zu 5.000 Euro und die unzulässig erhaltenen Leistungen müssen zurückgezahlt werden. Eine Strafe nach dem Strafgesetzbuch ist dabei nicht zu befürchten. 
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Sozialbetrug melden


‌Sozialbetrug ist strafbar und kann daher zur Anzeige gebracht werden. Verdächtigt man jemanden der Begehung von Sozialleistungsbetrug, so kann man sich an ein Jobcenter wenden und den Verdacht melden. Natürlich kann die Anzeige auch bei der Polizei gestellt werden. Von Vorteil ist es, bereits mehrere Indizien gesammelt zu haben, da dies die Polizei bei der Aufklärung der Tat unterstützt. Denn diese wird folglich gemeinsam mit dem Jobcenter der Sache auf den Grund gehen und den etwaigen Sozialbetrug aufdecken. 

Sozialbetrug anonym anzeigen


‌Sollte man nicht öffentlich über seinen Verdacht auf Sozialbetrug sprechen wollen, so kann man ebenso eine anonyme Anzeige wegen Sozialbetrug erstatten. Diese sollte schriftlich mit allen vorliegenden Indizien und Beweisen an das Jobcenter gerichtet werden.  Hinweis: Hat man selbst Sozialbetrug begangen oder ist gerade dabei, es zu tun, kann man eine Selbstanzeige erstatten. Diese wirkt aber nicht strafbefreiend und es kommt dennoch zu einer Verurteilung. Dafür kann eine Selbstanzeige aber dabei helfen, das Strafmaß zu verringern.

Anzeige wegen Sozialbetrug bekommen – was nun?


‌Steht man selbst unter Verdacht, Sozialbetrug zu begehen oder wurde man dessen beschuldigt, so erhält man zunächst eine Vorladung der Polizei. Anstatt dieser Vorladung sofort nachzukommen, sollte man sich zunächst mit einem Anwalt für Strafrecht in Verbindung setzen. Der Anwalt kann folglich Akteneinsicht beantragen und sich über den Stand der Ermittlungen zu dem Betrugsverdacht informieren. Auf Basis dessen kann entschieden werden, wie weiter vorgegangen wird. 
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‌Bestätigt sich der Verdacht auf Sozialbetrug durch die Ermittlungen der Polizei, kommt es zu einem Strafverfahren vor Gericht. Oft wird über Sozialbetrug auch durch einen Strafbefehl entschieden, der als vollwertiges Urteil gilt. Wird daraufhin Einspruch eingelegt, kommt es zu einer Gerichtsverhandlung. 
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Strafmaß bei Sozialbetrug


‌Wird der Sozialbetrug als Ordnungswidrigkeit gewertet, so muss man ein Bußgeld leisten und die zu Unrecht bezogenen Sozialleistungen zurückzahlen. In den meisten Fällen gehen die Gerichte aber davon aus, dass der Betrug mit einem Vorsatz verbunden ist. Ist das der Fall, wird er nach § 263 StGB geahndet. 
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‌Auf den Betrug nach § 263 StGB gilt eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren oder in weniger schwerwiegenden Fällen eine Geldstrafe. Zudem droht eine Eintragung in das Führungszeugnis, sobald die Geldstrafe 91 Tagessätze überschreitet oder die Freiheitsstrafe über 3 Monate hinausgeht. Denn ab dann gilt man als vorbestraft und die Strafe steht im polizeilichen Führungszeugnis. In das Bundesregister wird der Strafbefehl trotzdem immer eingetragen.  Achtung: Gerade Studenten sollten sich vorsehen, ehe sie einen BAföG-Betrug begehen. Denn für sie kann es das Ende der noch nicht begonnenen Karriere bedeuten, wenn sie einen Eintrag wegen Sozialbetruges in ihrem Führungszeugnis aufweisen. Vor allem Studenten der Rechtswissenschaften, Medizin oder Lehramt können dabei ihre Karriere aufs Spiel setzen, da sie für diese Berufe unbedingt ein einwandfreies Führungszeugnis brauchen. Sozialbetrug steht nicht selten mit Schwarzarbeit in Verbindung. Komm diese Tat hinzu, wird zusätzlich der Tatbestand der Steuerhinterziehung erfüllt, was zu einem insgesamt höheren Strafmaß führt. Auf Schwarzarbeit steht ein Bußgeld von bis zu 300.000 Euro nach § 8 SchwarArbG oder eine Geld- oder Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren nach dem Strafrecht. 
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Verjährung von Sozialbetrug


‌Sozialbetrug wird häufig nicht sofort entdeckt, sondern möglicherweise erst Jahre später. Doch auch bei Sozialbetrug gibt es eine Verjährung . Die Frist, nach der Sozialbetrug nicht mehr geahndet werden kann, beträgt nach § 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB fünf Jahre. Dies gilt nur bei Betrug, der als Straftat gewertet wird. 
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‌Wird der Sozialbetrug als Ordnungswidrigkeit angesehen, verjährt die Tat bereits nach zwei Jahren. Danach kann die Person nicht mehr zur Rechenschaft gezogen werden. 
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Sozialbetrug – Recht einfach erklärt