Schulden erben (ohne Wissen): Wie vermeide ich Schuldenprobleme?

Rechtsanwalt

Erben können vor einer schwierigen Entscheidung stehen: Erbschaft annehmen oder besser ausschlagen? Was ist aber, wenn ungeahnte Schulden vorhanden sind? Schulden erben möchte schließlich keiner. Dieser Beitrag geht auf alle Möglichkeiten ein, wie man mit Schulden im Nachlass umgehen kann und soll.

Frau ärgert sich vor der Steuererklärung: Schulden erben ohne Wissen kann viele Probleme verursachen.
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Erben können vor einer schwierigen Entscheidung stehen: Erbschaft annehmen oder besser ausschlagen? Was ist aber, wenn ungeahnte Schulden vorhanden sind? Schulden erben möchte schließlich keiner. Dieser Beitrag geht auf alle Möglichkeiten ein, wie man mit Schulden im Nachlass umgehen kann und soll. 

Kann man Schulden erben?


‌Ja, ein Erbe erbt sowohl den positiven als auch den negativen Nachlass des Erblassers. Also Rechte und Pflichten, Guthaben und Verbindlichkeiten. Der Erbe ist Rechtsnachfolger des Erblassers. Er hat verschiedene Möglichkeiten, mit Schulden umzugehen. Nicht möglich ist es jedoch, den verschuldeten Teil der Erbschaft abzulehnen und nur den schuldenfreien anzunehmen. 
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‌Angenommen werden kann immer nur die gesamte Erbschaft bzw. der einem zustehende Erbteil . Der Erbe ist verpflichtet, aus dem Nachlass zuerst die Nachlassgläubiger zu bezahlen. Was danach übrigbleibt, muss er nach Wunsch des Erblassers verwenden.  Hinweis: Ist der Nachlass zu niedrig, um die Schulden zu begleichen, muss ein Erbe mit seinem Privatvermögen haften. Es gibt allerdings Wege, um sich für diesen Fall abzusichern. Wer Schulden vermutet, sollte schnellstmöglich einen Anwalt für Erbrecht einschalten. 

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Arten von Schulden, die aus dem Erbfall entstehen können:

  • Vermächtnisse
  • Pflichtteilsansprüche
  • Auflagen gemäß letztwilliger Verfügung
  • Kosten für Testamentseröffnung
  • Beerdigungskosten
  • Grabpflege-Kosten
  • Erbschaftssteuer
  • Schulden aus Steuern
  • Unterhalt der werdenden Mutter eines Erben ( § 1963 BGB )
  • Voraus des Ehegatten
  • Dreißigster bei nichtehelichen Lebensgemeinschaften
  • Anspruch auf angemessene Ausbildung für Stiefkinder 
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Warum können Schulden in der Erbschaft problematisch sein?


‌Es gibt eine ganze Reihe an Problemen, die sich aufgrund eines verschuldeten Nachlasses ergeben. Erblasserschulden können Erben in Privatinsolvenz treiben, wenn sie nicht schnell handeln. Nicht möglich ist z.B., nur die Schulden auszuschlagen. Ausschlagen muss man die Erbschaft bzw. den Erbteil immer komplett. 
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‌Problematisch ist zudem, dass Erben nur eingeschränkte Auskunftsrechte haben, solange sie die Erbschaft noch nicht angetreten haben. Und: Um solche Auskünfte zu erhalten, beispielsweise um ein Bankkonto einsehen zu können, muss in der Regel zuerst ein Erbschein beantragt werden. Die Schwierigkeit: Mit der Beantragung eines Erbscheins nimmt man die Erbschaft automatisch an.  Hinweis: Manche Institutionen und Behörden akzeptieren anstelle eines Erbscheins auch ein eröffnetes Testament oder eine Sterbeurkunde. Es müssen daher nach eingehender Rechtsberatung die passenden Schritte eingeleitet werden, um diese und weitere Risiken abzuwenden bzw. zu verringern. Nachstehend erfahren Sie, welche konkreten Maßnahmen Sie bei Schulden ergreifen können.  Hinweis: Im Übrigen sollte der Erblasser, wenn möglich, bereits zu Lebzeiten die Erben ausreichend über die Verschuldung unterrichten. Wir haben daher eine Checkliste für Erben und Erblasser zusammengestellt. 

Wie kann ich herausfinden, ob die Erbschaft Schulden hat?


‌Einerseits kann der Erblasser schon vor seinem Tod über bestehende Schulden informieren . Andererseits muss die tatsächliche Schuldenlast nach dem Erbfall erst geprüft werden . Das erfordert viel Eigeninitiative und eventuell auch Sucharbeit. Ordner, Akten, Bankkonten müssen dann durchgesehen werden, um mögliche Schulden aufzudecken. Aber auch die Gläubiger können direkt auf die Erben zukommen. 
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‌Eine Benachrichtigung über den Eintritt der gesetzlichen Erbfolge erhalten Erben nur dann, wenn ein Testament im Zentralen Testamentsregister hinterlegt wurde. Oder auch dann, wenn Erben durch das Versterben eines anderen Erben oder durch eine Erbausschlagung in der Erb-Rangfolge nachrücken. 
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Was soll man machen, wenn man bloß vermutet, Schulden geerbt zu haben?


‌Im ersten Schritt sollte man sich an einen Experten für Erbrecht wenden. Insbesondere, wenn der Nachlass voluminös und unübersichtlich ist. Gleichzeitig sollte man Kontakt mit möglichen Miterben aufnehmen, um das weitere Vorgehen zu planen. Schnelles und konsequentes Handeln ist sehr wichtig, um die Fristen einzuhalten.  Hinweis: Untätigkeit und Unwissenheit schützt nicht vor den schwerwiegenden Folgen, die ein ver- oder überschuldeter Nachlass mit sich ziehen kann. 

Was tun, wenn man Schulden geerbt hat?


‌1) Dreimonatseinrede 
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‌2) Aufgebotsverfahren 
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‌3) Erschöpfungseinrede 
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‌4) Erbausschlagung 
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‌5) Nachlassverwaltung 
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‌6) Nachlassinsolvenz 
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‌7) Dürftigkeitseinrede 

1) Dreimonatseinrede


‌Mit einer Dreimonatseinrede ( § 2014 BGB ) braucht ein Erbe für die ersten drei Monate nach der Erbannahme keine Schulden an die Gläubiger zu bezahlen. Es ist sozusagen eine Schonfrist . In dieser Zeit kann er den Nachlass prüfen und die wichtigsten Angelegenheiten erledigen, ohne gleich zur Gläubigerbefriedigung gezwungen zu werden. 

2) Aufgebotsverfahren


‌Aufgebotsverfahren ( § 454 ff. FamFG ) bedeutet: Das Nachlassgericht fordert alle Nachlassgläubiger öffentlich auf, innerhalb einer festgelegten Frist ihre ausstehenden Forderungen beim Gericht bekanntzugeben. Nach Ende der Frist fällt das Gericht ein Ausschlussurteil. Mit der Folge, dass alle Gläubiger, die die Frist verpasst haben, nur noch befriedigt werden, wenn noch etwas vom Nachlass da ist. 
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‌Es ist jedoch so, dass der Erbe grundsätzlich dazu verpflichtet ist, die ausgeschlossenen Gläubiger zu befriedigen, bevor er Pflichtteilsberechtigten den Pflichtteil auszahlt, Vermächtnisnehmern die Vermächtnisse aushändigt und etwaige Auflagen erfüllt. 
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‌Wenn jedoch die Gläubiger erst dann ihre Forderung geltend machen, nachdem der Erbe den Nachlass schon für diese Verbindlichkeiten aufgewendet hatte, haben eben diese Verbindlichkeiten Vorrang ( § 1973 BGB ). 
 Hinweis: Das Aufgebotsverfahren macht z.B. dann Sinn, wenn der Nachlass recht unübersichtlich ist. 

3) Erschöpfungseinrede


‌Unter Erschöpfungseinrede ( § 1989 BGB ) versteht man, dass jenen Gläubigern, die bei einem Aufgebotsverfahren ihre Forderungen zu spät geltend machen, gesagt wird, dass sie nicht mehr befriedigt werden können, wenn der Nachlass bereits erschöpft, also verbraucht ist. 

4) Erbausschlagung


‌Unter Einhaltung einer 6-wöchigen Frist nach Bekanntwerden des Erbfalls kann das Erbe ausgeschlagen werden. Dies geschieht beim zuständigen Nachlassgericht. Wenn ein Testament vorhanden ist, beginnt die Ausschlagungsfrist erst dann zu laufen, nachdem das Testament offiziell eröffnet wurde. 

5) Nachlassverwaltung


‌Ein mit Verbindlichkeiten und Schulden gezeichneter Nachlass kann aber z.B. auch durch einen Nachlassverwalter abgewickelt werden. Dieser kümmert sich um die Befriedigung der Gläubiger und bedient sich für seine eigene Arbeit aus dem Nachlass. Die Nachlassverwaltung ( § 1975 BGB ) kostet, allerdings bleibt der Erbe mit seinem Privatvermögen durch eine Nachlassverwaltung geschützt (= „Beschränkung der Haftung auf den Nachlass“). 

6) Nachlassinsolvenz


‌Nachlassinsolvenz muss angemeldet werden, sobald ersichtlich ist, dass der Nachlass überschuldet bzw. zahlungsunfähig ist. Wird dies den Erben bewusst, müssen diese umgehend Nachlassinsolvenz anmelden. Wird es dem Nachlassverwalter bewusst, muss dieser ebenso sofort ein Nachlassinsolvenzverfahren ( §§ 315 bis 334 InsO ) einleiten.  Hinweis: Abgewickelt wird die Nachlassinsolvenz von einem Insolvenzverwalter. Eingeleitet wird es vom Insolvenzgericht. Das ist jenes Gericht, das für den letzten Wohnsitz des Erblassers zuständig ist. 

7) Dürftigkeitseinrede


‌Eine Dürftigkeitseinrede ( § 1990 BGB ) kann erhoben werden, wenn der Nachlass weder ausreicht, um die Nachlassverwaltung noch das Nachlassinsolvenzverfahren zu decken. Die Haftung wird dadurch auf den Nachlass beschränkt. Die Nachlassgläubiger können damit nicht mehr vom Erben verlangen, als der restliche Nachlass hergibt. 
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Wie kann ich die Erbschaft ausschlagen?


‌Jeder Erbe hat die Wahl zwischen Annahme oder Ausschlagung der Erbschaft. Angenommen wird sie automatisch, wenn eine Frist von 6 Wochen ab Kenntnis des Erbfalls verstrichen ist. Eine Ausschlagung hat folglich innerhalb von 6 Wochen nach Kenntnis über den Erbfall zu erfolgen. 
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‌Ausgeschlagen wird beim zuständigen Nachlassgericht. 

 Hinweis: Zuständig ist das Nachlassgericht des letzten Wohnsitzes des Erblassers. Die Kosten für die Ausschlagung richten sich nach dem Nachlasswert. Die Ausschlagung eines überschuldeten Nachlasses kostet pauschal 30,- €. 

Welche Fristen sind zu beachten, wenn man Schulden erbt?

  • Frist für Dreimonatseinrede: 
    ‌Die Schonfrist der Dreimonatseinrede beginnt, nachdem der Erbe die Erbschaft angenommen hat bzw. sobald die Ausschlagungsfrist verstrichen ist.
  • Frist für Aufgebotsverfahren: 
    ‌Die vom Gericht festgelegte Frist für das Aufgebotsverfahren beträgt zumindest 6 Wochen. Sie wird vom Gericht festgelegt.
  • Frist für Erbausschlagung: 
    ‌Die Ausschlagung der Erbschaft muss innerhalb von 6 Wochen ab Kenntnis des Erbanfalls durchgeführt werden. Eine 6-Monatsfrist gilt, wenn der Erbe sich zum Zeitpunkt, an dem er Kenntnis über den Erbanfall erlangt, im Ausland befindet, oder, wenn der Erblasser zum Todeszeitpunkt seinen Wohnsitz im Ausland hatte.
  • Frist für Nachlassverwaltung: 
    ‌Zur Beantragung einer Nachlassverwaltung besteht für Erben keine Frist. Nachlassgläubiger hingegen dürfen keinen Antrag mehr stellen, sobald 2 Jahre nach Erbannahme vergangen sind.
  • Frist für Nachlassinsolvenz: 
    ‌Ein Erbe hat unverzüglich die Nachlassinsolvenz einzuleiten, wenn er von der Zahlungsunfähigkeit bzw. Überschuldung des Nachlasses Kenntnis erlangt ( § 1980 Abs. 1 BGB ).
  • Frist für Dürftigkeitseinrede: 
    ‌Für die Dürftigkeitseinrede gibt es keine Frist. Sie muss auch nicht extra beantragt werden. 
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Wer zahlt Steuerschulden nach Tod?


‌Die Steuerschulden (inkl. Zinsen) des Erblassers müssen von den Erben beglichen werden. Zur Bezahlung kann der Nachlass verwendet werden. Ist dieser zu niedrig, um die Steuerschulden zu begleichen, sind die Erben verpflichtet, die Schulden aus ihrer eigenen Tasche zu bezahlen.  Hinweis: Die Aufwände für das Begleichen der Erblasser-Steuerschuld können von der Erbschaftssteuer abgesetzt werden. Zudem auch: Kosten für den Steuerberater. 

Wie können Schulden nach dem Erbfall zustande kommen?


‌Nach dem Erbfall – also abgesehen vom Nachlass – können sich ebenfalls Schulden ergeben. Kosten für die Abwicklung der Erbschaft, für die Nachlassverwaltung, für Beerdigung und Grabpflege, Kosten für die Nachlassverwaltung u.a. müssen von den Erben bezahlt werden. Beerdigungs- und Grabkosten können unter bestimmten Umständen aber von der Steuer abgesetzt werden.  Hinweis: Die Erbschaftssteuer ist nur zu bezahlen, wenn die Erbschaft den Steuerfreibetrag übersteigt. Wichtig ist, dass die Erben nach Kenntnis das Finanzamt über den Anfall der Erbschaft informieren. Erst dann kann die Erbschaftssteuer-Last berechnet werden.

Schulden erben ohne Wissen – Recht einfach erklärt