Vom Nachlasswert hängt viel ab: die Höhe der Erbschaftssteuer, die Pflichtteilshöhe und andere Kostenfaktoren im Erbrecht. Die Berechnung des Nachlasswerts ist Aufgabe der Erben; dafür brauchen sie oft einen Gutachter, besonders, wenn es eine Immobilie im Nachlass gibt. Alles zum Nachlasswert hier erfahren.
Was ist der Nachlasswert?
Der Nachlasswert ist der kalkulatorische Wert des gesamten Nachlassvermögens nach Abzug der Nachlassverbindlichkeiten und Erbfallkosten. Er ist die Grundlage für die Berechnung vieler Ansprüche und Erledigungen im Erbrecht. Der Stichtag für den Nachlasswert ist der Todestag des Erblassers.
Dieser Wert wird im Rahmen der Aufstellung eines Nachlassverzeichnisses ermittelt.
Im Laufe der Zeit kann sich der Nachlasswert immer wieder ändern. Ist beispielsweise ein Nachlasspfleger oder ein Nachlassverwalter im Einsatz, muss dieser für seine Arbeit aus dem Nachlass entlohnt werden.
Ist die Ermittlung Pflicht?
Ja. Der Erbe muss gemäß Gesetz ein schriftliches Nachlassverzeichnis anfertigen und Auskunft darüber geben, wenn ihn jemand Auskunftsberechtigter dazu auffordert.
Die Ermittlung des Nachlasswerts nimmt aber nicht nur der Erbe vor; auch das Gericht hilft dabei mit. Der Erbe macht zuerst eine Aufstellung mit allen bezifferten Vermögenswerten. Das Nachlassgericht ermittelt sodann den exakten Wert.
Wofür muss man den Nachlasswert ermitteln?
Der Nachlasswert ist wird für folgende Angelegenheiten im Erbrecht gebraucht:
- Ermittlung von Gerichtsgebühren (z.B. für Nachlasspflegschaft)
- Antrag auf Erbschein
- Berechnung der Höhe der Erbschaftssteuer
- Berechnung der Höhe von Pflichtteilsansprüchen
- Exakte Aufteilung des Nachlasses nach Erbquoten
Was ist ein Nachlassverzeichnis?
Das Nachlassverzeichnis ist die Auflistung aller Nachlassgegenstände, auf deren Grundlage man den Nachlasswert ermitteln kann. Verschiedene Personen können dieses Verzeichnis fordern:
- Pflichtteilsberechtigte,
- Nachlassgläubiger (Personen, bei denen der Erblasser noch Schulden hat),
- oder auch die Erben gegenüber einem Nachlassverwalter oder Testamentsvollstrecker ,
Pflichtteilsberechtigte etwa haben einen Auskunftsanspruch , da sie auf eine richtige Auszahlung ihres Pflichtteils angewiesen sind. Hier sieht der Gesetzgeber volle Transparenz vor, sodass Betrug so weit wie möglich vermieden wird.
Hinweis: Ein Nachlassverzeichnis wird entweder vom Erben selbst oder von einem Notar erstellt. > Wie ein Nachlassverzeichnis erstellt wird, wie man bei Gericht ein notarielles Nachlassverzeichnis beantragen kann und mehr, ist im Artikel Nachlassverzeichnis nachzulesen.
Was zählt zum Nachlasswert? – Checkliste
Beim Nachlasswert sind zwei Arten zu unterscheiden:
1) Aktivnachlass
2) Passivnachlass (auch „reiner Nachlasswert“ oder „bereinigter Nachlasswert“)
Aktivnachlass:
- Bargeld
- Bankeinlagen
- Bausparguthaben
- Wertpapiere (Aktien, Anleihen, Optionsscheine, Zertifikate, Fonds, ETFs usw.)
- Darlehen und andere Forderungen
- Grundstücke und Immobilien
- Unternehmen oder Unternehmensanteile
- Ansprüche aus Krankenversicherung
- Ansprüche aus Lebensversicherung
- Gold, Silber und andere Edelmetalle
- Uhren, Juwelen, Schmuck
- Antiquitäten
- andere wertvolle Gegenstände und Sammlerstücke
- Haushaltsgegenstände
- Erbanteile aus Erbengemeinschaft
- Autos
- usw.
Hinweis: Zum Aktivnachlass werden im Grunde alle Vermögenswerte des Erblassers gezählt, die vererblich sind.
Passivnachlass:
- Darlehensverbindlichkeiten
- Hypotheken
- Verbindlichkeiten aus Kaufverträgen
- Verbindlichkeiten aus Werkverträgen
- Steuerverbindlichkeiten
- Kosten für Nachlasspflegschaft
- Verbindlichkeiten wegen Zugewinnausgleich
- Verbindlichkeiten aus Unterhaltsansprüchen
- Gerichtskosten und Anwaltskosten in Erbsachverhalten
- Mietschulden
- Beerdigungskosten des Erblassers (in angemessener Höhe)
- Kosten für Gutachter zur Wertermittlung des Nachlasses
- Kosten für die Erstellung eines notariellen Nachlassverzeichnis auf Wunsch eines Pflichtteilsberechtigten
- Wertermittlungskosten (Gutachter)
Hinweis: Der Pflichtteilsberechtigte darf ein notarielles Nachlassverzeichnis beantragen. Das geschieht häufig, wenn der Pflichtteilsberechtigte dem Erben nicht vertraut. Ebenso darf er einen Gutachter für die Feststellung von Vermögenswerten – beispielsweise einen Immobilien-Gutachter – beauftragen. Der Erbe darf die dafür anfallenden Kosten vom Aktivnachlass abziehen.
Folgende Positionen können nicht abgezogen werden:
- Kosten für den Erbschein
- Kosten für die Erbauseinandersetzung einer Erbengemeinschaft
- Kosten für einen Testamentsvollstrecker
- Pflichtteilszahlungen
- Pflichtteilsergänzungsansprüche
- Vermächtnisse
- Kosten für die Testamentseröffnung
- Erbschaftssteuer
- Nießbrauchrecht oder Wohnrecht (und andere Werte, die enden, wenn der Erblasser verstirbt.)
- „ Dreißigster “
Achtung: Abziehen kann man nur die Verbindlichkeiten, die es auch bei einer gesetzlichen Erbfolge gegeben hätte. All jene Verbindlichkeiten, die aufgrund einer Verfügung von Todes wegen entstehen – zum Beispiel Pflichtteilsansprüche wegen Enterbung, Verbindlichkeiten aus einer Testamentsvollstreckung oder Vermächtnisse – dürfen nicht abgezogen werden.
Wie kann man den Nachlasswert ermitteln?
Die Berechnung des Nachlasswerts erfolgt einfach, indem der Passivnachlass vom Aktivnachlass weggerechnet wird. Aktivnachlass
- Passivnachlass
--------------------------------------------------
Nachlasswert
Wie funktioniert die Wertermittlung der Nachlassgegenstände?
Die Positionen des Aktivnachlasses sind stets zu bewerten. Der anzusetzende Wert ist der sogenannte „ Verkehrswert “ eines Vermögensgegenstands.
Das ist der Preis, der bei einem üblichen Verkauf des betreffenden Vermögensgegenstands zu Stande kommen würde. Der Stichtag für die Bewertung ist grundsätzlich der Todeszeitpunkt des Erblassers.
Nachfolgend wird erklärt, wie man bei diversen Nachlassgegenständen den Nachlasswert ermitteln kann:
- Immobilien:
Hier muss ein Gutachter hinzugezogen werden. Unbebaute Grundstücke sind nach dem Vergleichswertverfahren zu bewerten (Vergleich mit ähnlichen Grundstücken). Für Ein- und Zweifamilienhäuser bzw. Eigentumswohnungen, die selbst genutzt werden, kommt das Sachwertverfahren zur Anwendung. Werden Immobilien von jemand anderes genutzt, wird das Ertragswertverfahren angewendet.
Mehr über Immobilien-Bewertung erfahren.
- Wertpapiere:
Hier wird der Kurswert der Wertpapiere am Todestag des Erblassers angesetzt. - Unternehmen und Unternehmensbeteiligung:
Hier richtet man sich nach dem Wert der beim Verkauf der Unternehmensanteile bzw. des Unternehmens erzielt würde. - Haushaltsgegenstände:
Bewertung grundsätzlich durch einen Sachverständigen. Übliche Haushaltsgegenstände tragen nicht unbedingt zu einer Wertsteigerung des Nachlasses bei. Befinden sich zum Beispiel wertvolle Antiquitäten oder Schmuck im Haushalt, so sieht die Sache anders aus.
Was tun, wenn der Nachlasswert negativ ist?
Wenn die Verbindlichkeiten größer sind als das Vermögen, dann ist der Nachlass überschuldet. Der Erbe hat in diesem Fall zwei Möglichkeiten:
1) Nachlassinsolvenz einleiten oder
2) Erbschaft ausschlagen.
- Nachlassinsolvenz einleiten: Das Nachlassinsolvenzverfahren muss unverzüglich eingeleitet werden, wenn der Erbe merkt, dass der Nachlasswert negativ ist, also die Schulden bzw. Verbindlichkeiten höher als der Aktivnachlass sind. Die Nachlassinsolvenz verhindert, dass der Erbe mit seinem privaten Vermögen gegenüber den Gläubigern haftet. Wer also kein Nachlassinsolvenzverfahren anmeldet, kann existenzielle Probleme bekommen.
- Erbschaft ausschlagen: Will ein Erbe die Erbschaft ausschlagen , muss er dafür keinen Grund nennen. Häufig wird ein Nachlass aber wegen Überschuldung abgelehnt. Er kann innerhalb einer 6-wöchigen Frist beim Nachlassgericht ausgeschlagen werden. Wichtig ist, dass die Ausschlagungserklärung rechtzeitig eintrifft, denn sonst gilt die Erbschaft automatisch als angenommen.
Hinweis: Ist der Nachlass überschuldet, sollte ein Rechtsexperte helfen. Ein Anwalt mit Erfahrung mit überschuldeten Erbschaften kann unterstützen, die richtigen Entscheidungen zu treffen.
Welche Folgen haben falsche Angaben?
- Zu hoher Nachlasswert:
Ein zu hoch angesetzter Nachlasswert kann sich negativ für die oder den Erben auswirken. Sind Pflichtteilsansprüche auszuzahlen oder ist ein Erbschein zu beantragen, können sich die Kosten dadurch signifikant erhöhen. - Zu niedriger Nachlasswert:
Wurde ein zu geringer Nachlasswert ermittelt, sind Pflichtteilsberechtigte die Leidtragenden. Man hat dabei als Erbe möglicherweise nur auf den ersten Blick einen Vorteil: Stellt sich heraus, dass die Angaben falsch sind, kann es zu Gerichtsverhandlungen kommen. Streitigkeiten vor Gericht sind oft langwierig und mit einem hohen Ressourcenaufwand (Zeit, Geld, Nerven) verbunden.
Was ist der Auskunftsanspruch des Pflichtteilsberechtigten?
Ein Pflichtteilsberechtigter hat ein besonderes Interesse daran, dass der Erbe den Wert des Nachlasses genau ermittelt. Das hat nämlich Einfluss auf seinen Pflichtteil .
Pflichtteilsberechtigte haben jedenfalls Anspruch auf die Ausstellung eines Nachlassverzeichnisses und bestimmte „Zusatzleistungen“ .
Der Pflichtteilsberechtigte kann …
- ein privates oder
- ein notarielles Nachlassverzeichnis ,
- gegebenenfalls auch mit einer eidesstattlichen Versicherung verlangen, ebenso
- bei der Nachlasswert-Ermittlung dabei sein,
- einen Gutachter für die Wertermittlung verlangen, oder
- den Auskunftsanspruch vor Gericht durchzusetzen (wenn sich der Erbe gegen die Auskunft weigert).
Auskunft über Schenkungen:
Zudem kann der Pflichtteilsberechtigte eine Auskunft über Schenkungen, die der Erblasser bis zu 10 Jahre vor seinem Tod durchgeführt hat, verlangen.
Manche Erblasser versuchen mit der vorweggenommenen Erbfolge (Schenkung zu Lebzeiten) den Nachlasswert zu drücken, damit der Pflichtteil für Enterbte so gering wie möglich ausfällt . Weil aber der Gesetzgeber vollkommene Enterbungen vermeiden will, gibt es diese 10 Jahresfrist bei Schenkungen. Hinweis: Je weniger Zeit zwischen Schenkung und Tod des Erblassers vergangen ist, desto mehr fällt der Schenkungswert bei der Pflichtteilsberechnung ins Gewicht. Diesen Anspruch nennt man „Pflichtteilsergänzungsanspruch“. Geht die Schenkung an den Ehegatten, gilt die 10 Jahresfrist nicht. > Alle Details zum Pflichtteilsergänzungsanspruch lesen
Auskunft über den Güterstand:
War der Erblasser verheiratet, beeinflusst der Güterstand die Höhe des Pflichtteils .
Je nach Güterstand, wird das Vermögen beim Tod eines Ehepartners unterschiedlich aufgeteilt (sofern kein Testament oder Erbvertrag vorhanden ist): es ergeben sich unterschiedlich hohe gesetzliche Erbquoten .
Der Güterstand regelt die Vermögensverhältnisse zwischen Ehegatten. Der gesetzliche Güterstand ist die sogenannte Zugewinngemeinschaft . Die Eheleute können aber abweichend davon in einem Ehevertrag auch einen anderen Güterstand vereinbaren.
Mögliche Güterstände mit je unterschiedlichen Auswirkungen auf die Erbquote und somit auf den Pflichtteil:
- Zugewinngemeinschaft (gilt automatisch, wenn in einem Ehevertrag nichts anderes vereinbart wurde)
- Gütertrennung
- Gütergemeinschaft
- Mischformen