Ergänzungspflegschaft: Was wird ein Ergänzungspfleger angeordnet?

Rechtsanwalt

Es gibt Situationen, in denen den Eltern ein Teil des Sorgerechts entzogen und an einen Ergänzungspfleger übertragen wird. Wann genau ordnet das Gericht eine Ergänzungspflegschaft an? Und wer bezahlt einen Ergänzungspfleger eigentlich? Vorliegender Beitrag erklärt die wichtigsten Details zum Thema.

Frau mit Kinderwagen: Sie übernimmt eine gerichtlich angeordnete Ergänzungspflegschaft
Adobe Stock | koldunova_anna

" Es gibt Situationen, in denen den Eltern ein Teil des Sorgerechts entzogen und an einen Ergänzungspfleger übertragen wird. Wann genau ordnet das Gericht eine Ergänzungspflegschaft an? Und wer bezahlt einen Ergänzungspfleger eigentlich? Vorliegender Beitrag erklärt die wichtigsten Details zum Thema. 

Was ist Ergänzungspflegschaft?


‌Ergänzungspflegschaft heißt, dass den Eltern, einem Elternteil oder einem Vormund ein Teilbereich des Sorgerechts für ein minderjähriges Kind entzogen wird. Der entzogene Teil des Sorgerechts wird auf einen Dritten übertragen . Dieser Dritte ist ein sogenannter „ Ergänzungspfleger “. 
‌ 
‌Ein Ergänzungspfleger übt also den auf ihn übertragenen Sorgerechtsteil aus. Die anderen Teile des Sorgerechts werden aber weiterhin von den Eltern oder dem Vormund des Kindes ausgeübt. Das Gesetz bzw. das Gericht bestimmt, welchen Teilbereich des Sorgerechts (die „elterliche Sorge“) auf den Pfleger übertragen wird.  Hinweis: Die elterliche Sorge („Sorgerecht“) umfasst die Personensorge sowie die Vermögenssorge der Eltern oder anderer Personen für ein minderjähriges Kind. Das Bürgerliche Gesetzbuch hält hinsichtlich Ergänzungspflegschaft und Vormundschaft fest:  Ergänzungspflegschaft 
‌ 
‌Wer unter elterlicher Sorge oder unter Vormundschaft steht, erhält für Angelegenheiten, an deren Besorgung die Eltern oder der Vormund verhindert sind, einen Pfleger. Er erhält insbesondere einen Pfleger zur Verwaltung des Vermögens, das er von Todes wegen erwirbt oder das ihm unter Lebenden unentgeltlich zugewendet wird, wenn der Erblasser durch letztwillige Verfügung, der Zuwendende bei der Zuwendung bestimmt hat, dass die Eltern oder der Vormund das Vermögen nicht verwalten sollen. 
‌ 
‌§ 1909 Abs. 1 BGB 

Was ist der Unterschied zur Vormundschaft?


‌Im Gegensatz zu einem Ergänzungspfleger übernimmt ein Vormund das Sorgerecht zur Gänze . Das ist z.B. der Fall, wenn die Eltern versterben oder ihnen die gesamte elterliche Sorge entzogen wird. Bei einer Ergänzungspflegschaft erhält der Pfleger also nur einen Teilbereich der elterlichen Sorge. Zum Beispiel das Aufenthaltsbestimmungsrecht , wenn sich die Eltern darin nicht einig werden können. 
‌ 
‌Aber auch einem Vormund kann das Sorgerecht teilweise oder ganz entzogen werden. Das ist z.B. notwendig, wenn ein Vormund seine Pflichten verletzt. In diesem Fall kann für den (volljährigen) Mündel ein Ergänzungspfleger eingesetzt werden. 
‌ 
‌Die Ergänzungspflegschaft ist demnach eine vorgestaffelte Maßnahme , durch die den Eltern nur ein Sorgerechtsbereich entzogen wird. Zeigt auch diese Maßnahme keinen Erfolg, kann den Eltern das Sorgerecht schließlich ganz entzogen werden.  Hinweis: Ergänzungspflegschaft = Pfleger übernimmt einen Teil des Sorgerechts 

Vormundschaft = Vormund übernimmt das gesamte Sorgerecht 

Wann wird ein Ergänzungspfleger bestellt?

Kindeswohlgefährdung


‌In den meisten Fällen wird aufgrund von Kindeswohlgefährdung durch die Eltern ein Pfleger angeordnet. Das Familiengericht will damit das körperliche, psychische und seelische Wohl des Kindes sowie dessen Vermögen schützen. 
‌ 
‌Das wäre zum Beispiel der Fall, wenn Eltern Erziehungsgewalt gegenüber den Kindern ausüben oder ihnen Vernachlässigung nachgewiesen wird. 
‌ 
‌Die Eltern müssen damit nicht ihre gesamte elterliche Sorge abgeben. Jedoch jenen Teilbereich, den sie nicht ordnungsgemäß wahrnehmen können und/oder wollen. 

Vaterschaftsanfechtung


‌Darüber hinaus kann eine Ergänzungspflegschaft im Zuge einer gerichtlichen Vaterschaftsanfechtung beantragt werden, wenn die Mutter von der Vertretung des Kindes vor Gericht ausgeschlossen ist. 

Erbrecht


‌Eine Ergänzungspflegschaft kann auch in einem Testament oder Erbvertrag angeordnet werden. Der Erblasser möchte damit verhindern , dass Personen, die das Sorgerecht für den Erben haben, an dessen Erbschaft gelangen

Aussageverweigerungsrecht (Strafverfahren)


‌Relativ selten wird ein Pfleger im Zuge eines Strafverfahrens bestellt. Die Strafprozessordnung schließt Eltern von der Vertretung ihrer Kinder von Gesetz aus. Zur Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts kann vom Gericht ein Pfleger angeordnet werden. 
‌ 

Beispiel einer Ergänzungspflegschaft

Die Eltern eines nur wenige Monate alten Babys weigern sich, an dem Baby Früherkennungsuntersuchungen durchführen zu lassen. Eine Bekannte der Familie schaltet das Jugendamt ein, woraufhin dieses tätig wird. Nachdem die Eltern auch nach Gesprächen mit dem Jugendamt nichts unternehmen, führen Fachkräfte des Jugendamts nach Rücksprache mit dem Familiengericht eine Inobhutnahme durch. 
‌ 
‌Das Familiengericht entzieht den Eltern das Aufenthaltsbestimmungsrecht und die Gesundheitsfürsorge und überträgt diese Teilbereiche der elterlichen Sorge auf einen Ergänzungspfleger.

Wer kann als Ergänzungspfleger fungieren?


‌Eine solche Person wird nach den Vorschriften gemäß § 1779 BGB berufen. „Das Familiengericht soll eine Person auswählen, die nach ihren persönlichen Verhältnissen und ihrer Vermögenslage sowie nach den sonstigen Umständen zur Führung der Vormundschaft geeignet ist.“ ( § 1779 Abs. 2 BGB
‌ 

Wer muss den Ergänzungspfleger bezahlen?


‌Bei einer Ergänzungspflegschaft entstehen für die Eltern, denen ein Teil des Sorgerechts genommen wurde, keine Kosten . Wer diese Arbeit beruflich ausübt, wird auf Grundlage des Vormünder- und Betreuervergütungsgesetz nach Zeitaufwand vergütet. 
‌ 
Ehrenamtliche Ergänzungspflegschaft wird durch einen Aufwendungsersatz vergütet. Ergänzungspfleger sind, wie auch Vormund oder rechtlicher Betreuer, von der Umsatzsteuer befreit. Pro Stunde werden grundsätzlich 23 Euro bezahlt. Liegen fachliche Qualifikationen vor, die für die Arbeit nutzbringend sind, erhöht sich der Stundensatz: 
‌ 
‌1) auf 29,50 Euro , wenn diese Kenntnisse durch eine abgeschlossene Lehre oder eine vergleichbare abgeschlossene Ausbildung erworben sind; 
‌ 
2) auf 39 Euro , wenn diese Kenntnisse durch eine abgeschlossene Ausbildung an einer Hochschule oder durch eine vergleichbare abgeschlossene Ausbildung erworben sind. 
‌ 
‌( § 3 VBVG
‌ 

Wie kann ein Anwalt helfen?


‌Durch die Anordnung einer Ergänzungspflegschaft wird beiden oder einem Sorgeberechtigten ein Teil des Sorgerechts entzogen. Wer damit nicht einverstanden ist, sollte sich baldmöglichst bei einem Anwalt für Familienrecht juristischen Rückhalt holen. Ein Familienanwalt berät umfassend in allen familienrechtlichen Fragestellungen und vertritt seine Mandanten vor Gericht. 
‌ 
‌Ein Rechtsanwalt für Familienrecht ist aber nicht nur für Personen da, die von einem Sorgerechts(-teil)entzug betroffen sind. Sondern auch für jene, die einen solchen vorantreiben wollen. Oder für Erblasser, die vermeiden wollen, dass an Minderjährige vererbtes Vermögen von deren Sorgeberechtigte verwaltet wird. In diesem Fall berühren sich Familienrecht und Erbrecht, weshalb auch ein Anwalt für Erbrecht unterstützen kann. 
‌ 
‌ 

 

Ergänzungspflegschaft – Recht einfach erklärt